Faszination Jungsteinzeit
Das Neolithikum - die Kultur der Schnurkeramiker
Randau An der Elbe
Neolithisches Haus
Die schnurkeramische Epoche
Von etwa 2800 v. Chr. bis 2400 v. Chr. traten in weiten Teilen Mitteleuropas und darüber hinaus die Schnurkeramischen Kulturen auf.
Ihr Verbreitungsgebiet reichte im Westen vom Elsass bis zur Ukraine im Osten und von der Westschweiz im Süden bis nach Südnorwegen im Norden.
Verbreitung
In Westdeutschland existierten diese Kulturen in fast allen Gebieten. Und in Ostdeutschland behaupteten sich die Schnurkeramiker in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg.
Kerstin beim Keramikfeldbrand
Woher kamen die Schnurkeramiker?
Die Herkunft der Schnurkeramiker in Mitteleuropa war lange unter den Wissenschaftlern umstritten. Früher hielt man sie für aus dem Osten eingewanderte Steppennomaden. Die Annahme, es handele sich um nichtsesshafte Viehzüchter, begründete man mit den seltenen Siedlungsspuren, dem Übergewicht an Grabfunden und dem angeblichen Fehlen von Hinweisen auf Ackerbau.
Flintklingen, u.a. auch Sicheleinsätze
Nach dem neuesten Forschungsstand geht man allerdings davon aus, dass sich die Schnurkeramischen Kulturen unter Aufnahme neuer kultureller Strömungen aus der Trichterbecher - Kultur entwickleten und dass auch die Schnurkeramiker Bauern waren. Zeitweise hatte man in ihnen wegen der weiten Verbreitung nach Osten sogar die ersten bekannten Indogermanen sehen wollen. In Wirklichkeit waren sie jedoch keine einheitliche Erscheinung , weshalb von einer Ethnie mit gleicher Sprache keine Rede sein kann.
Die Siedlungen und die Wirtschaft
Über die Siedlungen der Schnurkeramiker weiß man bisher wenig. Die geringe Zahl an bekannten Siedlungen ist vielleicht durch eine Bauweise bedingt, die kaum Spuren im Boden hinterließ.
Neolithisches Haus im Freilichtmuseum Randau
In Mitteldeutschland haben die Schnurkeramiker auch in Ödgebieten und an Gebirgsrändern gesiedelt. Diese Ausweitung des Siedlungsgebietes auf Regionen mit schlechten Ackerböden deutet auf eine Zunahme der Bevölkerung und vermehrte Viehzucht hin. Die in wildreichen Gegenden lebenden Schnurkeramiker dürften mit Pfeil und Bogen auf die Jagd gegangen sein. So sind Jagdbeutereste von Rothirsch, Reh und Wildschweinen und zahlreich von Pelztieren gefunden worden.
Reste von Getreide und Hülsenfrüchten, Abdrücke von Getreidekörnern an Tongefäßen sowie Hakenpflugspuren unter schnurkeramischen Grabhügeln zeugen vom Ackerbau. Ausgesät und geerntet wurden vor allem Emmer und Gerste, daneben auch Einkorn, Zwergweizen, Rispenhirse und Linse.
Knochenreste aus schnurkeramischen Befunden beweisen, dass deren Bewohner neben Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen und Hunden auch Pferde als Haustiere hielten.
Messer, Pfeilspitzen und weiteres Flintgerät
Handelsbeziehungen
An manchen Fundorten der Schnurkeramischen Kultur wurden eindrucksvolle Belege für Tauschgeschäfte und weitreichende Fernverbindungen entdeckt. So stieß man in einem Grabhügel auf eine Dolchklinge aus Grand-Pressigny-Feuerstein, deren Griff aus organischem Material allerdings nicht mehr erhalten war. Diese wegen ihrer außerordentlichen Qualität geschätzte goldgelbe Feuersteinart wurde in Grand Pressigny in Frankreich abgebaut und war vor allem in Gebieten begehrt, in denen s keine heimischen Feuersteinvorkommen gab.
Große Wertschätzung als Tauschobjekt genoss der Bernstein von der Ostseeküste. Aus diesem Material hat man verschieden geformte Anhänger geschaffen. Die Schnurkeramiker setzten für den Transport von schweren Lasten zuweilen von Rindern gezogene Wagen ein, was die Funde von hölzernen Scheibenrädern nahe legen.
Bekleidung
Archäologische Funde legen die Verwendung von gegerbten Fellen, Häuten, Leder und Pelzen von Fuchs und Dachs sowie Marder für die Bekleidung nahe. Es scheint möglich, dass die Schnurkeramiker diese Materialien zu ähnlichen Kleidungsstücken verwendeten, wie man sie an der berühmten Gletschermumie "Ötzi" gefunden hat. Lederleggins und Lendenschurz und aus einem Stück Leder gefertigte Schuhe dürften zur Alltagsbekleidung gehört haben.
Siedlungsfunde aus Gruben brachten neben Keramikscherben, Geweih- und Steingeräten auch zahlreiche Webgewichte zum Vorschein. Die Anfertigung von textilen Kleidungsstücken dürfte dadurch als gesichert gelten.
Andreas fertigt einen ankerförmigen Anhänger, der für die Schönfelder Kultur typisch ist
Schmuck
Die Frauen hatten eine Vorliebe für Schmuck. In Frauengräbern barg man häufig Halsketten aus durchbohrten Tierzähnen. Tierzähne, oft Hundezähne, wurden auf die Kopfbedeckung aufgenäht. Um den Leib gelegte Gürtel verschloss man häufig mit aus Knochen geschnitzten Hakenplatten.
Ein Gürtelverschluss aus Knochen
In anderen Männergräbern entdeckte man aus Eberzähnen und Bernstein geschaffene Schmuckstücke. Außerdem gab es Knochennadeln, Muschelschmuck, Kupferschmuck und Rötel zum Schminken.
Kerstin und Andreas mit Knochenschmuck
Allein in Mitteldeutschland wurden in etwa 50 Gräbern kupferne Schmuckstücke gefunden: Blechröhren, Spiralröllchen, Spiralringe, Armringe, Kopfbänder, Fingerringe und Perlen. Zu welch künstlerischen Leistungen die Schnurkeramiker fähig waren, zeigt die Ausschmückung der Steinkammergräber in Sachsen-Anhalt. Die Muster an den Wänden der Gräber ahmen vielleicht Wandbehänge nach, die es damals womöglich schon in den Häusern gab. Bekannt ist die Abbildung eines Zackenmusters mit der Darstellung eines querliegenden Bogens und eines Köchers, der mit sechs Pfeilen gefüllt ist.
Tonwaren und Keramik
Unter den Tongefäßen der Schnurkeramischen Kulturen überwiegen die Becher und Amphoren. Bei den Bechern handelt es sich um hohe schlanke Gefäße mit einem ausgeprägten Standboden. Gebraucht wurden auch Schalen, Henkelkannen und -tassen, Näpfe, Deckeldosen, Tonlöffel, Füßchenschalen und ovale Wannen.
Schnurkeramische Deckeldose, die Kerstin frei geformt hat
Unter den Verzierungsmustern überwiegen Ornamente, die man mit Hilfe von geflochtenen Schnüren herstellt, die vor dem Brand in den noch weichen Ton eingedrückt wurden. Auf diese Schnureindrücke geht der Name der Kultur zurück.
In der Mansfelder Kulturgruppe, die die chronologisch jüngste Stufe der schnurkeramischen Siedlungsfunde in Mitteldeutschland bildet, weisen zahlreiche Gefäße in den vertieften Verzierungen weiße Inkrustationen auf.
Neolithische Töpfe aus der Hand von Kerstin
Neben den beschriebenen Verzierungen auf den Keramikwaren werden auch noch folgende Merkmale als charakteristisch für die Mansfelder Gruppe betrachtet: flächendeckende Verzierungen wie Leiterbänder, ausgesparte Winkelbänder zwischen strichgefüllten Dreiecken. Die einzelnen Gefäßteile (z.B. Hals, Bauch usw.) sind streng untereinander abgegrenzt, dies wird durch die Verzierungen noch betont.
Werkzeuge und Waffen
Die Schnurkeramiker beherrschten meisterhaft die Herstellung von Werkzeugen und Waffen aus unterschiedlichen Steinarten. Aus Feuerstein schlugen sie neben Beilen, Meißeln und Klingen auch formvollendete Waffen wie Dolche und Pfeilspitzen. Felsgestein diente als Rohstoff für durchbohrte Keulenköpfe, Arbeits- und vor allem Streitäxte, die kunstvoll zurecht geschliffen wurden. Bei der Formgebung von Feuersteindolchen und steinernen Streitäxten kopierte man das Erscheinungsbild kupfernere Vorbilder. Bei den Streitäxten wurden sogar die Gussnähte der Kupferäxte nachgeahmt.
Aus
Verschiedene Messerformen, Flint geschäftet
Aus Knochen schuf man unter anderem Meißel, Pfrieme und Dolche. Knochen war auch das Material für Nadeln, Schmuckanhänger, Pfeilspitzen und Gürtelschließen.
Daneben besaßen die Schnurkeramiker aber auch Pfrieme und Dolche aus Kupfer. Die Dolche waren - nach ihrer Verwendbarkeit zu schließen - eher Prestige- denn Gebrauchsgegenstände. Es hat den Anschein, als habe das Metall Kupfer für den Schnurkeramiker eine besondere Bedeutung besessen.
Bestattungssitten
Die Schnurkeramiker haben ihre Toten nur selten verbrannt. Einzelbestattungen waren die Regel. Die Körper dr Verstorbenen wurden mit Vorliebe in westöstlicher Richtung zur letzten Ruhe gebettet. Die Beine waren zum Körper angezogen. Männer lagen auf der rechten Körperseite mit dem Schädel im Westen, Frauen auf der linken Körperseite mit dem Kopf im Osten. Man kennt vor allem Hügelgräber, die mitunter von Steinringen und Ringgräben umgeben sind, aber auch einfache flache Erdgräber, Gräber mit Holzeinbau (Totenhütten) oder Steinkammergräber.
Zur Standardausrüstung der bestatteten Schnurkeramiker gehörten ein Becher und eine Amphore, daneben fand man noch andere Tongefäße. Den Männern legte man Waffen aus Stein, aus Knochen und manchmal auch aus dem wertvollen Metall Kupfer ins Grab. Die Frauen stattete man reichlich mit Schmuck aus.